Drei Phasen der Landwirtschaft
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie sehr sich unser Verständnis von Landwirtschaft und Ernährung gewandelt hat. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Frage im Mittelpunkt: „Wie werden wir satt?“ Die Landwirtschaft wurde auf maximale Produktivität ausgerichtet, um die Bevölkerung zu versorgen. Die Rentenbank wurde 1949 gegründet, um Landwirte mit Krediten und Investitionen zu unterstützen und so die Agrarstruktur zu verbessern.
Ab den 1980er Jahren verschob sich der Fokus: Lebensmittelskandale wie BSE oder der Glykol-Skandal rückten die Sicherheit und Qualität der Produkte in den Vordergrund. Neue Standards, Kontrollsysteme und Institutionen wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) entstanden, um das Vertrauen der Verbraucher zu stärken.
Heute stehen wir vor neuen, komplexeren Herausforderungen. Die Supermarktregale sind voll, doch Themen wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Ressourcenknappheit und Lebensmittelverschwendung bestimmen die Debatte. Die zentrale Frage lautet nicht mehr nur, ob wir genug zu essen haben, sondern wie wir produzieren und konsumieren – und welche Auswirkungen das auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft hat.
Die systemische Perspektive
Die landwirtschaftliche Wertschöpfungskette ist ein komplexes Netzwerk. Sie beginnt beim Input wie Saatgut, Dünger und Maschinen, reicht über Anbau, Tierhaltung, Verarbeitung und Handel bis hin zu Konsum, Entsorgung und Kreislaufwirtschaft. Veränderungen an einer Stelle wirken sich auf das gesamte System aus. Deshalb ist es so wichtig, Ökologie, Ökonomie und soziale Aspekte gemeinsam zu betrachten.
Digitale Technologien spielen dabei eine immer größere Rolle. Sensoren, Drohnen und Smart-Farming-Tools helfen, Ressourcen effizienter einzusetzen – zum Beispiel kann der Wasserverbrauch um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig ermöglichen Echtzeitdaten zu Wetter, Boden und Marktpreisen eine präzisere Steuerung der Produktion und machen die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegenüber Krisen.
Ernährungstrends und regionale Kreisläufe
Auch unser Konsumverhalten verändert die Wertschöpfungsketten. Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine pflanzenbetonte oder regionale Ernährung – sei es aus gesundheitlichen, ethischen oder ökologischen Gründen. Der Anteil an Flexitariern in Deutschland hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht, und dieser Trend wird sich voraussichtlich fortsetzen. Dennoch bleibt für viele der Preis das wichtigste Kriterium. Damit nachhaltige Produkte eine Chance haben, müssen sie attraktiver und besser verfügbar werden.
Mutige Betriebe als Vorbilder
Wie Transformation in der Praxis aussehen kann, zeigen zwei inspirierende Beispiele:
Der Berghof der Brüder Babel im Allgäu setzt auf vollständige regionale Wertschöpfung: Von der Tierhaltung über die Milchverarbeitung bis hin zum eigenen Hofladen und einer Brauerei wird alles vor Ort umgesetzt. Der Betrieb ist energetisch autark und nutzt erneuerbare Energien.
Gemüsebau Steiner produziert seit 2014 regionales Gemüse im Gewächshaus – komplett ohne fossile Brennstoffe. Ein durchdachtes Energiekonzept, Kreislaufwirtschaft beim Wasser und der Einsatz von Nützlingen machen den Betrieb besonders nachhaltig. Regenwasser und Kondenswasser werden gesammelt und wiederverwendet, organische Abfälle kompostiert und als Dünger eingesetzt.
Was wir für die Zukunft brauchen
Damit mehr Betriebe solche Wege gehen können, müssen wir an mehreren Hebeln ansetzen: Wir brauchen die Förderung biodiverser Anbausysteme, politische Rahmenbedingungen, die Innovationen ermöglichen, Bildung und Wissenstransfer, eine stärkere Regionalisierung, ein verändertes Konsumverhalten und den Einsatz digitaler Technologien. Die Rentenbank unterstützt diese Entwicklung mit gezielten Förderprogrammen, Start-up-Förderung und Investitionen in nachhaltige Technologien. Unser Ziel ist es, Produktivität und Nachhaltigkeit zusammenzudenken und praktisch zu fördern.
Gemeinsam anpacken für eine nachhaltige Landwirtschaft
Die Herausforderungen in der Landwirtschaft sind groß und vielschichtig – aber sie sind lösbar, wenn wir sie gemeinsam und systemisch angehen. Die Landwirtschaft ist Teil der Lösung. Innovation, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit können Hand in Hand gehen, wenn wir bereit sind, neue Wege zu gehen und voneinander zu lernen.
Die besten Lösungen entstehen im Dialog – mit den Menschen, die Landwirtschaft leben und gestalten. Die Zukunft entscheidet sich nicht in Sonntagsreden, sondern im Alltag: auf den Feldern, in den Betrieben, in den Supermärkten und in unseren Haushalten. Es sind die vielen kleinen und großen Entscheidungen, die am Ende den Unterschied machen.
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