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Naturbezogene Risiken – ein neues
Thema im Agrarbanking?

Die Themen Biodiversität und Natur werden in der Erfassung naturbezogener Risiken für Banken immer wichtiger. Dabei stehen die Institute vor der Herausforderung, Daten zu den Aktivitäten ihrer Kreditnehmer zu erfassen, die sich auf Biodiversität und Natur auswirken. Die Landwirtschaft nimmt auch hier eine exponierte Stellung ein. Wir möchten mittels einer Studie die Hintergründe und gelebte Praxis in den Finanzinstituten dieser verpflichtenden Erfassung besser verstehen. Darüber hinaus möchten wir erste Möglichkeiten aufzeigen, welche Daten auf dem landwirtschaftlichen Betrieb für eine Abfrage relevant sein können. Die für Sommer 2025 anberaumte Veröffentlichung soll folgende Fragen beantworten:

  • Inwieweit berücksichtigen deutsche Finanzinstitute naturbezogene Risiken bei der Kreditvergabe im Agrarsektor?
  • Welche Daten und Metriken sind erforderlich, um naturbezogene Risiken in der Landwirtschaft adäquat zu erfassen und zu bewerten?
  • Welche Strategien können Landwirtinnen und Landwirte nutzen, um ihren kreditgebenden Banken zu signalisieren, dass sie sich gegen naturbezogene Risiken abzusichern?

Im nachfolgenden Teaser zu unserer Studie möchten wir die Problematik und Herausforderungen für die Kreditvergabe an die Landwirtschaft darlegen. Die Ergebnisse der Studie sollen eine erste Indikation sein, wie diese Herausforderungen gemeistert werden können.

1. Begriffsverständnis – Biodiversität, Natur und ihre Rolle in der Risikobetrachtung

Im Zuge der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsregulatorik gewinnt der Schutz und die Wiederherstellung von Biodiversität sowie natürlicher Ökosysteme zunehmend an Bedeutung – auch im Finanzsektor. Aufsichtsinstitutionen wie die Europäische Zentralbank (EZB), Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erkennen zunehmend, dass der Verlust der Natur nicht nur ökologische, sondern auch finanzielle Risiken für Banken birgt. Doch was genau ist mit „Natur“ und „Biodiversität“ gemeint?

Die folgende Tabelle zeigt die Abgrenzung im Überblick:

  Natur Biodiversität
Definition Gesamtheit der natürlichen Welt (lebend und nicht-lebend) Vielfalt des Lebens
Fokus Biologisch + physikalisch Biologisch
Konponenten Biodiversität, Geodiversität (z. B. Böden, Atmosphäre, Klima etc.), Ökosystemleistungen Genetische Vielfalt, Artenvielfalt, Vielfalt der Ökosysteme

 

Biodiversität ist somit Teil der Natur – und beide sind die Grundlage für sogenannte Ökosystemleistungen: das sind alle Leistungen, von denen Menschen wirtschaftlich oder gesellschaftlich profitieren, etwa Bestäubung, sauberes Wasser oder Klimaregulierung.

In der Bankenregulatorik gewinnt außerdem der Begriff Naturkapital an Bedeutung. Er beschreibt die wirtschaftlich relevanten Bestandteile der Natur – einschließlich Biodiversität und Ökosystemleistungen – und dient als Brücke zwischen ökologischen Grundlagen und finanziellen Steuerungsmodellen.

Für Banken ergibt sich daraus ein neuer Risikobereich: Naturbezogene Risiken (nature-related risks). Diese betreffen alle finanziellen Auswirkungen, die durch den Verlust, die Veränderung oder Degradierung natürlicher Systeme entstehen, zum Beispiel durch physische Schäden, Lieferkettenstörungen oder Reputationsverluste. Das Verständnis dieser Begriffe ist somit zentrale Grundlage für ein zukunftsgerichtetes Risikomanagement.

2. Regulatorische Grundlagen zur Bewertung naturbezogener Risiken

Naturbezogene Risiken, etwa durch Biodiversitätsverlust, Landnutzungswandel oder die Verschlechterung von Ökosystemleistungen, rücken zunehmend in den Fokus der Bankenaufsicht. Eine erste Grundlage bildet das im Januar 2020 veröffentlichte BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Es betont, dass Umweltveränderungen erhebliche Auswirkungen auf klassische Risikoarten wie Kredit-, Markt- oder operationelle Risiken haben können. Die BaFin fordert daher, dass Institute Nachhaltigkeitsrisiken systematisch in ihre Risikostrategie und -prozesse sowie Governance-Strukturen integrieren, auch wenn sich diese Risiken erst langfristig  auswirken.

Mit der am 16. Januar 2025 in Kraft tretenden EBA-Leitlinie zum Management von ESG-Risiken besteht erstmals ein europaweit einheitlicher Mindeststandard. Die Leitlinie benennt ausdrücklich Umweltfaktoren wie Biodiversität, Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen und Landnutzungswandel als relevante Risikoquellen. Banken müssen sicherstellen, dass entsprechende ESG-Indikatoren, auch solche zu naturbezogenen Risiken, in ihre Kreditvergabeprozesse, Risikobewertung und Portfolioanalyse einfließen. Darüber hinaus sind Szenarioanalysen und Resilienztests verpflichtend, um die Auswirkungen von Naturverlust auf bestimmte Sektoren, Standorte oder Kreditportfolios zu bewerten. 

Ergänzend dazu verpflichten die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und die EU-Taxonomie viele Unternehmen sowie deren Banken als Kapitalgeber zur Offenlegung naturbezogener Auswirkungen, Risiken und Abhängigkeiten. Diese Anforderungen erhöhen die Transparenz über ökologische Risiken und helfen Banken, naturbezogene Risiken besser zu identifizieren, zu bewerten und in ihre Steuerung zu integrieren.

3. Bedeutung für Banken

Banken ziehen zur Bewertung der naturbezogenen Risiken ihrer Kunden sogenannte ESG-Scores heran, um potenzielle finanzielle Auswirkungen frühzeitig zu erkennen. Diese Bewertungsschemata sollen ermitteln, inwieweit bestehende ESG-Risiken finanzielle Auswirkungen aufgrund von Abhängigkeiten bestimmter Kundengruppen haben können.

Naturbezogene Risiken werden grundlegend in physische Risiken, etwa durch Extremwetter oder Biodiversitätsverlust, und transitorische Risiken, die durch politische oder gesellschaftliche Veränderungen entstehen (z.B. neue Umweltauflagen oder Nachfragewandel) unterteilt. Naturbezogene Risiken wirken nicht direkt, sondern über verschiedene Übertragungskanäle auf die klassischen Risikoarten in der Kreditvergabe:

 

  Naturbezogene Risiken Beispiel Übertragungskanal Klassische Risikoart
Physikalische Risiken Dürre/Extremwetter Dürresommer 2018 Ernteausfall Liquiditätsrisiko
Verlust von (Wild-) Bestäubern Verminderte Erträge bei Obst und Raps Rückgang der Erlöse, steigende Produktionskosten Marktpreisrisiko
Transitorsche Risiken Höhere Umweltauflagen Düngeverordnung, Insektenschutz Flächenrestriktionen Operationelles Risiko
Nachfragewandel hin zu nachhaltigeren Produkten Rückgang des Fleischkonsums Absatzprobleme Reputationsrisiko
Poltischer Wille zu Subventionsänderung Kürzung der Direktzahlungen Planungsunsicherheit, Verlust einkalkulierter Mittel Strategisches Risiko

 

Für Banken sind diese Risiken relevant, weil sie die Rückzahlungsfähigkeit beeinträchtigen, zusätzliche Sicherheiten erforderlich machen oder die Bonität mindern können.

4. Auswirkungen auf die Kreditvergabe an die Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist in besonderem Maße von natürlichen Ressourcen abhängig. Veränderungen von Klima, Bodenfruchtbarkeit, Wasserverfügbarkeit und Biodiversität wirken sich unmittelbar auf Erträge, Kosten und Betriebserfolg aus. Damit zählen naturbezogene Risiken, also Risiken durch Umweltveränderungen, zu den zentralen Einflussfaktoren für die finanzielle Solidität landwirtschaftlicher Betriebe.

In Deutschland sind landwirtschaftliche Betriebe im Bereich der physischen Risiken insbesondere von Dürre, Starkregen, Bodenerosion, aber auch vom Rückgang von Bestäubern und Nützlingen betroffen. Die Folge sind Ertragsschwankungen, Qualitätsverluste und steigende Produktionskosten. Auch Bodendegradation ist ein schleichendes Risiko: Sinkt die Fruchtbarkeit dauerhaft, vermindert sich der Wert der Flächen – was Sicherheiten für Kredite schwächt.

Transitorische Risiken sind oft politisch bedingt und ergeben sich zum Beispiel aus der Düngeverordnung, dem Insektenschutzgesetz oder dem schrittweisen Abbau von Subventionen. Betriebe müssen sich an neue Vorgaben anpassen, was Investitionen erfordert (zum Beispiel in Technik, Stallumbau oder Dokumentation). Gleichzeitig ändern sich Konsumtrends: Weniger Fleischkonsum oder höhere Nachfrage nach regionalen und ökologischen Produkten setzen bestimmte Betriebsmodelle unter Druck.

Betriebe, die naturbezogene Risiken aktiv managen, haben bessere Chancen auf Finanzierung zu tragfähigen Konditionen. Landwirtschaftliche Betriebe können naturbezogene Risiken durch Diversifizierung der Produktion oder auch den Einsatz klimaresilienter Anbaumethoden managen. Gegen die finanziellen Auswirkungen, die potentiell auftreten können Versicherungen abgeschlossen werden. Investitionen in solche Maßnahmen erfordern oft finanzielle Unterstützung. Hier kommen Transformationsfinanzierungen ins Spiel, die den Übergang zu nachhaltigeren Praktiken fördern.

Die präzise Erfassung naturbezogener Risiken in der Landwirtschaft ist aufgrund fehlender standardisierter Bewertungsmethoden und der Komplexität ökologischer Wechselwirkungen eine Herausforderung. Zudem mangelt es oft an detaillierten, aktuellen Daten bzw. Näherungswerten, was die Risikoanalyse erschwert. Internationale Rahmenwerke versuchen Orientierung zu geben, wie die Risikoerfassung trotzdem gelingen kann. Sie bieten strukturierte Ansätze zur Identifikation und Bewertung naturbezogener Risiken.

5. Welche Rahmenwerke gibt es bereits?

International gibt es verschiedene Rahmenwerke, die Unternehmen bei der Erfassung und Bewertung ihrer Biodiversitätsauswirkungen sowie -risiken unterstützen. Zur Offenlegung der eigenen Unternehmensaktivitäten schafft die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) Transparenz, indem sie einen Standard für strukturierte Berichterstattungen naturbezogener Risiken setzt.

Die Partnership for Biodiversity Accounting Financials (PBAF) hingegen hat das Ziel, Finanzunternehmen und speziell Kreditinstitute bei der genauen Bewertung der Biodiversitätsauswirkungen ihrer Kredite und Investitionen zu unterstützen. Die Science-Based Targets for Nature (SBTN) stellen Leitlinien auf wissenschaftlicher Basis bereit, die Unternehmen dabei unterstützen, innerhalb der planetaren Grenzen zu agieren.

Im Rahmenwerk zur Bewertung der Abhängigkeiten von Ökosystemleistungen der PBAF ist die Nutzung des Tools ENCORE (Exploring Natural Capital Opportunities, Risks, and Exposure) ein integraler Bestandteil. Das Risikobewertungstool liefert Unternehmen Einblicke in ihre Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen und hilft somit vor allem Kreditinstituten, frühzeitig Risiken zu identifizieren und nachhaltige Geschäftsstrategien zu entwickeln. Durch die Nutzung von ENCORE können Biodiversitäts-Risiken nicht nur erkannt, sondern ebenfalls verstanden und gesteuert werden.

ENCORE odnet dem landwirtschaftlichen Sektor hohe Risiken zu, da dessen Aktivitäten eine hohe Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen besitzen und wesentliche, unmittelbare ökologische Auswirkungen haben. Die Faktoren Frischwassernutzung, Müllproduktion sowie Wasser- und Bodenverschmutzung haben negative Effekte auf die Biodiversität und Umwelt. Diese Abhängigkeit ist für landwirtschaftliche Betriebe entscheidend, da sie die Produktivität und Stabilität der Ökosysteme beeinflusst.

6. Fragestellung und Ausblick

Die Landwirtschaftliche Rentenbank ist durch das Hausbankprinzip von der Erfassung der Risiken ihrer Kreditnehmer befreit. Die Hausbanken, die bei der Vergabe unserer Förderkredite den direkten Kontakt zu den Kreditnehmern haben, stehen durch die Erfassung allerdings vor einem enormen Dokumentationsaufwand. Zusätzlich fehlt vielen Instituten eine valide Datengrundlage zur Bewertung der Landwirtschaft. Sie greifen auf Durchschnittswerte oder Tools wie ENCORE zurück, die das einzelne Unternehmen nicht immer treffend abbilden können.

Gleichzeitig hat die Landwirtschaft viele Hebel, naturbezogene Risiken zu managen, was im Kreditgespräch berücksichtigt werden kann. In einer Studie möchte sich die Landwirtschaftliche Rentenbank deshalb den einangs genannten Fragestellungen widmen:

  • Inwieweit berücksichtigen deutsche Finanzinstitute naturbezogene Risiken bei der Kreditvergabe im Agrarsektor?
  • Welche Daten und Metriken sind erforderlich, um naturbezogene Risiken in der Landwirtschaft adäquat zu erfassen und zu bewerten?
  • Welche Strategien können Landwirtinnen und Landwirte nutzen, um sich gegen naturbezogene Risiken abzusichern?

Ziel der Studie ist die Analyse der aktuellen Praktiken und Kriterien bei der Berücksichtigung von naturbezogenen Risiken landwirtschaftlicher Kunden, die Identifikation von Datenlücken zur Bewertung der Risiken sowie die Möglichkeiten, die die Landwirtschaft bietet, diese Risiken zu managen. Durch die Erkenntnisse der Studie möchten wir die landwirtschaftlichen Kreditnehmenden auf das Management von Umwelt- und Klimarisiken vorbereiten und Banken auf die Besonderheiten in der Agrarfinanzierung hinweisen.

Quellen:

BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (2020)

EBA-Leitlinie zum Management von ESG-Risiken (2025)

Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD)

Partnership for Biodiversity Accounting Financials (PBAF)

ENCORE (Exploring Natural Capital Opportunities, Risks, and Exposure)